Die Militarisierung der Heiligen in Vormoderne und Moderne

Die Militarisierung der Heiligen in Vormoderne und Moderne

Organisatoren
Exzellenzcluster Religion und Politik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Michael Grünbart, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster; Liliya Berezhnaya, Abteilung Osteuropäische Geschichte, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.02.2017 - 02.02.2017
Url der Konferenzwebsite
Von
Lutz Rickelt, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Universität Münster

Im Jahr 2016 feierte das Ikonen-Museum Recklinghausen sein 60-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurde die Ausstellung „Von Drachenkämpfern und anderen Helden. Kriegerheilige auf Ikonen“ präsentiert. Die gezeigten Ikonen stammten aus dem 6.–19. Jahrhundert, ihre Herkunft reichte von Ägypten über Griechenland und Rumänien bis nach Russland. Die Ausstellung illustrierte eindrücklich die große Beliebtheit der Kriegerheiligen von der Spätantike bis in die Neuzeit. Während der Vorbereitung entwickelte sich die Idee, die Ausstellung mit einer öffentlichen Tagung abzuschließen, um verstärkt gesellschaftsgeschichtliche Aspekte der Verehrung von militarisierten Heiligen übergreifend und interdisziplinär in den Blick zu nehmen.

In der Begrüßung umrissen MICHAEL GRÜNBART und LILIYA BEREZHNAYA (Münster) die Leitfragen der Tagung. Die meisten der heute als Krieger- oder Militärheilige bezeichneten Märtyrer dienten zwar als Soldaten in der römischen Armee, doch erst nach der Spätantike rückte ihre militärische Funktion in den Fokus und entsprechende Attribute setzten sich als ikonographischen Kennzeichen durch. In einer Zeit, in der auch Bischöfe vermehrt militärische Aufgaben übernehmen mussten, wurden Heilige zu Schutzpatronen von Städten (zum Beispiel Demetrios von Thessaloniki) und Siegesgaranten auf Feldzügen (Byzanz). Auch in den Nationalisierungsprozessen der Neuzeit kam den Soldatenheiligen als Identifikationsfiguren eine überaus wichtige Rolle zu. Als Träger militärischer Stärke werden sie bis in die Gegenwart instrumentalisiert, und es entstehen neue Erzählungen von (Kriegs-)Märtyrern. Folgende Leitfragen wurden formuliert: Wie und warum entwickelte sich die Militarisierung bestimmter Heiliger ikonographisch und hagiographisch? Welche gesellschaftlichen Prozesse begleiteten oder beeinflussten diese Entwicklung, kann man in ihr möglicherweise auch einen Reflex der Militarisierung ganzer Gesellschaften sehen? Wird die Spannung zwischen dem christlichen Gebot zum Gewaltverzicht und einer kriegerischen Schutzfunktion thematisiert? Wie ‚wirkten‘ Heilige, griffen sie aktiv ins Geschehen ein oder genügte ihre (passive) Präsenz? Wo entstanden Verehrungsorte, wie wurden sie autorisiert (neue hagiographische Erzählungen, Reliquien)? Wie wurden (und werden) Kriegerheilige für nationale Ideologien vereinnahmt?

Der erste Vortrag von PIOTR Ł. GROTOWSKI (Krakau) befasste sich mit der Entstehung und Verbreitung des Kultes von Kriegerheiligen in Byzanz sowie der Entwicklung und Bedeutung ihrer Ikonographie. Grotowski betonte das politische Gewicht und das soziale Prestige der Armee und ihrer Soldaten im spätrömischen Reich, die zudem als sichtbarste Repräsentanten des Staates in Erscheinung traten. In der frühen Ikonographie der Heiligendarstellungen dominierte das zeremonielle Hofgewand als Ausdruck ihres hohen Ranges, nach dem Ende des Ikonoklasmus setzte sich militärische Tracht mit entsprechenden Attributen durch (Brustpanzer, Schwert, Lanze, Schild, ab dem 13. Jahrhundert auch der Bogen durch arabisch-islamischen Einfluss; Helme fehlen). Im Zuge der wachsenden Bedeutung der Militäraristokratie wurden Soldatenmärtyrer zu Schutzheiligen hoher Würdenträger (Siegelbilder) und auch der Kaiser (vergleiche die Münzen des Alexios Komnenos; sogenannte Psalter des Basileios I.), was sowohl in der Kunst als auch der Hagiographie ihren Niederschlag fand (Einführung des Theodoros Stratelates als Vertreter der höchsten militärischer Befehlshaber). In Zeiten intensiver kriegerischer Auseinandersetzungen (vor allem ab dem späteren Mittelalter) etablierten sich Soldatenheilige aufgrund der ihnen zugeschriebenen militärischen Kraft als Patrone von Städten und schließlich ganzer Nationen (Rus, Georgien), ein Prozess, der bis in die Gegenwart wirksam ist.

EVA HAUSTEIN-BARTSCH (Recklinghausen) stellte mit dem Beispiel des heiligen Menas von Ägypten die ikonographische Militarisierung eines Heiligen vor. In frühbyzantinischer Zeit wurde er als jugendlicher Orant ohne Waffen dargestellt, nur die Chlamys kennzeichnete ihn als miles im Dienst des Kaisers. Im Pilgerzentrum Abu Mina wurde ein Kultbild des Heiligen verehrt, welches vermutlich dieser auf zahlreichen Pilgerampullen anzutreffenden Darstellung entsprach. Nach dem Ende des Pilgerbetriebs in Abu Mina und des Ikonoklasmus erschien der Heilige in einer anderen Ikonographie, die vermutlich von Konstantinopel ausging: Menas wandelte sich zu einem älteren, würdevollen Höfling mit lockigem weißen Haar und Bart. Seit dem 11. Jahrhundert wurde er (zuerst in Ägypten) als Reiter gezeigt, in dieser Zeit allerdings noch waffenlos. In spätbyzantinischer Zeit vollzog sich die Transformation zum Krieger, die zuerst auf serbischen Denkmälern begegnet (ob ursprünglich in Konstantinopel vollzogen oder möglicherweise auf einen speziellen Wunsch des serbischen Herrschers Milutin zurückgehend, bleibt offen). Ab dem 15. Jahrhundert wurde er schließlich als bewaffneter und mit Rüstung bekleideter Reiter dargestellt (Kastoria) und in dieser Weise ausnahmslos bis ins 19. Jahrhundert wiedergegeben. In der bulgarischen Ikonenmalerei war Menas während des Unabhängigkeitskampfes gegen die Osmanen (und danach) beliebt und verbreitet.

ALFONS BRÜNING (Nijmegen/Amsterdam) ging der Frage nach, wie die Verehrung von Soldatenheiligen mit der prinzipiellen Ablehnung von Gewalt in der christlichen Religion vereinbart wurde. Im 4. und 5. Jahrhundert setzte ein verstärktes Nachdenken über Krieg aus christlicher Perspektive und in diesem Zusammenhang ausgeübte Gewalt ein. Im lateinischen Westen entwickelte sich die auf Augustinus zurückgehende Lehre vom ‚gerechten Krieg‘, die Ansatzpunkte für die Verehrung von Kriegern bereithält. In orthodoxen Kirchen dagegen wird – schon in Byzanz – Krieg zwar im Einzelfall gerechtfertigt (Verteidigung von Schwachen und Schutzbefohlenen, Basileios von Kaisareia), jedoch keine konsistente Lehre des gerechten Krieges entwickelt; dieser wird eher ausnahmslos verurteilt. Das Beispiel der Kanonisierung von Alexandr Nevskij bietet möglicherweise ein Modell für die Versöhnung militärischer Gewalt mit christlich-orthodoxer Lehre: Er wurde als gerechter Herrscher heiliggesprochen; Aufgabe des gerechten Herrschers ist die strafende Zurückweisung der Feinde Gottes und die Bewahrung bzw. Wiederherstellung der gottgewollten Ordnung. Die Verteidigung der das soziale, religiöse und politische Leben bestimmenden Pravda (russ. Recht, Gerechtigkeit, Wahrheit, Ordnung) konnte mittels kriegerischer Gewalt unternommen und ihr Bewahrer in seiner Kriegerfunktion verehrt werden. In neuester Zeit äußerte sich die Sozialdoktrin der russisch-orthodoxen Kirche (2000) zum Thema Krieg zurückhaltend und betonte vor allem den Patriotismus als Rechtfertigung für die Teilnahme des Einzelnen am Krieg.

In seinem aufgrund eines Ausfalls vorverlegten Vortrag sprach STEFAN ROHDEWALD (Gießen) über die Veränderung der Verehrungskontexte slawischer Heiliger auf dem Balkan im Rahmen serbischer und bulgarischer Nationalbewegungen. Heilige wie Kyrill und Method, Kliment von Ohrid und Sava wurden unter osmanischer Herrschaft lange traditionell als Geistliche, Missionare und Kirchenlehrer der slawisch-orthodoxen Christenheit ohne nationale Bezüge verehrt. Im Laufe des 19. Jahrhundert wurden sie mehr und mehr nationalisiert und militarisiert. Einen Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in der Publizistik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So beschrieb der Priester Mihail Himitliiski 1906 Kyrill und Method als „Kämpfer für Orthodoxie und Slawentum“, als „slawische Riesen“ (velikani) im Kampf gegen den römischen Papst und deutsche Prälaten. Während der Balkankriege und des ersten Weltkrieges diente die von kriegerischer Rhetorik geprägte und national vereinnahmende Bezugnahme auf religiöse Identifikationsfiguren der Mobilisierung der Massen, aber auch der Legitimation territorialer Ansprüche (Makedonien) und militärischen Vorgehens gegen Nachbarn. Nicht zuletzt Geistliche prägten diesen Diskurs, der radikalisierend-militarisierende und national-sakralisierende Prozesse intensivierte, die mit ähnlichen Entwicklungen im übrigen Europa vergleichbar sind.

LAURY SARTI (Berlin) widmete sich in ihrem Vortrag merowingischen Heiligen, deren hagiographische Darstellung durch die Motive geistlicher Waffen und des stetigen (asketischen) Kampfes gegen sich selbst militärischen Charakter erhielt. Das Bild der geistlichen Rüstung und die explizit militärische Sprache zur Beschreibung christlicher Tugenden förderten eine Parallelisierung des inneren Kampfes des Heiligen und des äußeren Kampfes des Kriegers. Auch der Heilige handelte mannhaft-tapfer im Ringen gegen die Sünde, deren triumphale Überwindung dem militärischen Sieg vergleichbar wurde. Auf diese Weise gelang die Annäherung des christlichen, Gewaltanwendung ablehnenden Heiligen und des weltlichen Kriegers: Beide verkörperten vergleichbare Ideale und Wertvorstellungen. Der asketische Heilige wurde so als Vorbild auch für ein weltliches Publikum präsentiert und akzeptiert.

An die Westküste Europas führte der Vortrag von THOMAS SCHARFF (Braunschweig), die seit dem Ende des 8. Jahrhunderts von Angriffen skandinavischer Wikinger heimgesucht wurde, welche über die Flüsse weit ins Landesinnere vordrangen. Kirchen und Köster waren bevorzugte Ziele, den Mönchen blieb in der Regel nur die Flucht. Neben anderen Wertgegenständen wurden dabei auch die Reliquien von Heiligen mitgeführt, wie in zahlreichen Viten und Translationsberichten erzählt wird. Anstelle der karolingischen Schutzmacht treten in diesen Berichten die Heiligen, die ihre Klostergemeinschaft vor Angriffen warnten und verteidigten. Wo die weltlichen Verteidiger versagten, errangen die Heiligen Siege (Angriff auf Paris 845: Die Stadt wird geplündert, doch der heilige Germanus rettet sein Kloster). In den Feldzügen zur Abwehr der Normannen griffen die Heiligen zugunsten der christlichen Anführer aktiv ein. Die Beschreibung ihrer Taten erfolgte unter Verwendung militärischer Terminologie, auf dem Einhardsbogen flankieren Heilige in Rüstung (als milites Christi) zwei Herrschergestalten, die über eine das Böse verkörpernde Schlange triumphieren.

Der Abendvortrag entpuppte sich als unterhaltsame und zum Nachdenken anregende Lesung einer modernen arabischen Version der Georgslegende, die im Vorderen Orient sehr präsent ist. Der Text wurde von ASSAD KATTAN (Münster) ins Deutsche übersetzt, kurzweilig vorgetragen wurde er von Jessica Kattan und Georg Schaaf.

Die Patrone des Deutschen Ordens behandelte STEFAN SAMERSKI (München). Seit seiner Gründung 1090 dominierte Maria, die als Verkörperung der Caritas, Jerusalem- und Heilig-Land-Idee, als sedes sapientiae und siegreiche Schlachthelferin fungierte. Im Spätmittelalter wurde der heilige Georg als Ritter- und Pilgerheiliger sowie Patron der Staufer Schutzheiliger des Ordens, überwiegend mit militärisch-soldatischem Profil. Dazu gesellten sich Judith, Esther und die Makkabäer als alttestamentliche Vorbilder des standhaften Kampfes und schließlich mehrere frühchristliche Märtyrerinnen: Elisabeth als Sinnbild karitativer Ordenstätigkeit, Katharina, Margarete, Barbara als Vorbild asketischer Lebensweise und des Martyriums (Ordensideal). Die letzten drei wurden keine offiziellen Patrone, sie wurden aber in Preußen bereits vor Ankunft des Ordens verehrt und in seine Spiritualität integriert. Die heilige Barbara (Attribut: Turm) fungierte auch als Schutzherrin von Festungen und der Artillerie. Als der Orden im Zeitalter der Konfessionalisierung die Nähe zu den Habsburgern suchte, empfing die Marienverehrung neue Impulse durch die Gegenreformation, ihr militärischer Charakter trat nun ganz offen zutage (Immaculata-Typus: Maria zertritt den Kopf einer sich um die Weltkugel windenden Schlange). Sie war „Königin und Generalissima der Rechtgläubigkeit“, was mit dem Habsburger Staatskult (Magna Mater Austriae) korrespondierte. Andere Heilige traten nun in der Ordensfrömmigkeit in den Hintergrund.

OLEKSANDR ZABIRKO (Münster) untersuchte literarische Narrative russisch-orthodoxer Kriegerheilige, ihre Entwicklung von profanen Heldenepen (Ilija von Murom) über Märtyrerlegenden (Boris und Gleb, Michael Černigov) bis hin zu patriotischen Meistererzählungen (Aleksandr Nevskij). Er betonte, dass die wichtigste politische Funktion russischer Fürsten und Adliger, der Schutz des Vaterlandes, auch zentrales Motiv russischer Heiligenviten ist. Der epische Charakter überwiegt in der Legende des Ilija von Murom, der als exemplarischer Verteidiger der Rus und idealer Krieger dargestellt wurde. Die beiden Leidensdulder Boris und Gleb werden in der kirchlichen Kunst als Krieger (oft zu Pferd) abgebildet, obwohl ihr Martyrium aus dem bewussten Verzicht auf Gegenwehr resultierte (Triumph durch Verzicht auf Sieg). Der Großfürst Michael Černigov stellte sich den Mongolen, erlitt als Glaubenszeuge das Martyrium und zeigte sich so als mutiger Kriegerfürst und Verteidiger des Glaubens. Wichtige Motive waren in diesen Erzählungen die reine, gute Absicht (intentio recta) und die Liebe zu Volk und Vaterland, die Heiligen erwiesen als Träger der allumfassenden Pravda (siehe Vortrag Brüning). Die Vita Alexandr Nevskijs präsentierte den Großfürsten nach seiner Kanonisierung im 16. Jahrhundert als Verteidiger gegen den Katholizismus der „Römer“. In der Rolle als Bewahrer des russischen Volkes, seiner Religion und Kultur gegenüber fremden (westlichen) Gefahren und Einflüssen wurde und wird er bis heute politisch instrumentalisiert. Die in den hagiographischen Darstellungen verarbeiteten Ideale sind in militärischen Auseinandersetzungen der jüngeren Vergangenheit und der Gegenwart weiterhin wirksam, in denen neue Märtyrer-Erzählungen entstanden (Evgenij Rodinov, Arsenij Pavlov).

CHRISTOPH MICK (Warwick) beschäftigte sich zum Abschluss mit der Sakralisierung des Soldatentodes im Kult des Unbekannten Soldaten im Europa der Zwischenkriegszeit. Im Bemühen, dem Krieg Sinn zuzuschreiben, wurden die Gefallenen zu Märtyrern erhoben, aus deren Opfer die Hoffnung auf eine bessere Zukunft erwuchs (sowohl nationalistisch als auch pazifistisch interpretierbar). Denkmäler des Unbekannten Soldaten entstanden 1920 in Frankreich und England, deren Beispiel weitere europäische Länder und die USA folgten. Traditionelle religiöse Muster des Totengedenkens wurden mit nationalem Gedankengut überformt, der Unbekannte Soldat repräsentierte alle Soldaten und Kämpfer, die in der Vergangenheit für die Nation gefallen waren. Er wurde in säkular oder religiös geprägten Kontexten als Erlöser der Nation verehrt, die er wahlweise geschaffen, verteidigt oder gerettet hatte. Das Martyrium für die Nation wurde als höchster Wert präsentiert, das Mahnmal des Unbekannten Soldaten zum sinn- und einheitsstiftenden Symbol eines sakralisierten Nationalgefühls.

In den Vorträgen wurde deutlich, dass die Militarisierung des Heiligen ein gesamteuropäisches Phänomen ist, das über die religiöse Verehrung der christlichen Kriegerheiligen hinausgeht und bis in die Gegenwart wirksam ist. In Grenzräumen und Zeiten feindlicher Bedrohung wurden Kriegerheilige gerne zur Hilfe gerufen, es traten aber auch heilige Schutzhelfer militärisch-kriegerisch in Erscheinung, bei denen diese Aspekte zuvor keine Rolle gespielt hatten. Dies beschränkte sich nicht auf männliche Gestalten, auch weibliche Heilige konnten mit militanter Semantik konnotiert werden. Auch wurde das Motiv der geistlichen Rüstung im (asketischen) Kampf gegen die Sünde zur Beschreibung von Heiligkeit mit explizit militärischer Terminologie genutzt – Gerd Althoff (Münster) stellte in seinem Kommentar die Frage, ob dieses Motiv für die Ikonographie der Kriegerheiligen möglicherweise größere Bedeutung hatte als gemeinhin angenommen. Die ambivalente Haltung des Christentums zur Gewalt wurde in mehreren Beiträgen und Kommentaren thematisiert. Die Lösung der daraus resultierenden Spannung konnte unterschiedlich ausfallen, die Legitimation kriegerischer Gewalt reichte von der Rechtfertigung des Einzelfalls über die Einbettung in das Konzept eines „gerechten Krieges“ bis zur Bemühung der sakralen Pravda, was schon in Richtung späterer Nationalisierungsprozesse weist. Die Nation trat zunehmend an die Stelle der Religion als höchstes Gut. Zu ihrer Verteidigung mochten weiterhin Heilige instrumentalisiert und militarisiert werden, darüber hinaus wurde aber auch der nationale militärische Kampf und das Martyrium für die Nation sakralisiert. Damit verbunden ist auch das Aufkommen neuer nationaler Verehrungsstätten gefallener Soldaten: Heldenfriedhöfe bzw. das Grab des Unbekannten Soldaten werden im 20. Jahrhundert zu Erinnerungsorten, die staatlich sakralisiert werden und mit geheiligten Orten konkurrieren.

Konferenzübersicht:

Michael Grünbart / Liliya Berezhnaya (Münster): Einführung

Panel I – Moderation: Michael Grünbart (Münster)

Piotr Ł. Grotowski (Krakau): The Image Warrior Saints in Byzantium – Identity, Meaning and Function

Eva Haustein-Bartsch (Recklinghausen): Vom jugendlichen Märtyrer zum älteren Kriegerheiligen – der hl. Menas von Ägypten

Kommentar: Sarah Teetor (Wien)

Panel II – Moderation: Sarah Teetor (Wien)

Alfons Brüning (Nijmegen/Amsterdam): Der gerechte Krieg in östlichen und westlichen kirchlichen Traditionen

Stefan Rohdewald (Gießen): Geistliche als Krieger: Erstmilitarisierungen südslavischer Heiliger nach 1800

Kommentar: Jan N. Bremmer (Groningen/Bochum)

Panel III – Moderation: Michael Grünbart (Münster)

Laury Sarti (Berlin): Ein vorbildlicher Krieger! Der Heilige und sein Kampf gegen sich selbst

Thomas Scharff (Braunschweig): Die Heiligen im Kampf gegen die Normannen

Kommentar: Gerd Althoff (Münster)

Öffentlicher Abendvortrag
Moderation: Michael Grünbart (Münster); Georg Schaaf (Münster)

Assad Kattan (Münster): Eine arabische Version der Georgslegende

Panel IV – Moderation: André Krischer (Münster)

Stefan Samerski (München): Zwischen Waffengang und Caritas: Der Deutsche Orden und seine Heiligen im Spätmittelalter und Frühneuzeit

Kommentar: Liliya Berezhnaya (Münster)

Panel V – Moderation: Liliya Berezhnaya (Münster)

Oleksandr Zabirko (Münster): Russische Kriegerheilige als literarisches Modell: Entstehung, Funktion, politische Instrumentalisierung

Christoph Mick (Warwick): Tod und Erlösung: Der Kult des Unbekannten Soldaten in Europa nach dem Ersten Weltkrieg

Kommentar: Michael Grünbart (Münster)

Schlussbemerkungen

Fahrt in das Ikonenmuseum Recklinghausen zur Ausstellung „Von Drachenkämpfern und anderen Helden“